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“Filmkritiker sind so obsolet wie nie zuvor”

In einem interessanten Interview mit Spiegel Online, das sich am Rande um den Film 2012, aber eigentlich um Kino in Zeiten von Blogs und Twitter dreht, hat John Cusack behauptet, Filmkritiker seien obsolet. Die Leute würden sich nach dem Start des Films die Tweeds zum Thema oder vielleicht ein Blog durchlesen, aber keine Filmkritiken mehr. Ich finde, dass das eine sehr enge Definition von Filmkritiker ist, da es sich bei Cusack so anhört, als ob nur Feuilleton-Print-Journalisten in der Lage wären, eine Cusacks Meinung nach “richtige Filmkritik” zu schreiben, in der Film noch als Kunstform gesehen wird. Was haltet ihr von Cusacks Behauptungen? Sind wir alle obsolet, wenn wir nicht versuchen, jeden noch so schnöden Hollywood-Blockbuster in der Kunst zu verorten? Oder ist es völlig legitim und sogar leserfreundlicher, in verständlicher Sprache sein subjektives Urteil über Filme als Filmkritik zu bezeichnen?

Hier ein Auszug aus dem Interview, in dem sich Cusack zum Thema Filmkritik äußert:

“SPIEGEL ONLINE: Braucht denn eigentlich noch irgendjemand Filmkritiker, wenn Kinogänger sich lieber an Twitter oder Blogs halten?

Cusack: Tut mir leid, dass zu sagen, aber Filmkritiker sind so obsolet wie nie zuvor. Warum? Wer früher als Arthouse-Regisseur nicht in der “New York Times” oder der “Los Angeles Times” auftauchte, war erledigt: they make you or kill you. Heute gibt es zumindest in den USA keine Filmkritik mehr, die diesen Namen verdient.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?

Cusack: Die Kritiker schreiben personalisiert, oberflächlich und nur noch darüber, was sie mögen oder nicht mögen. Cola? Oder doch lieber Pepsi? Aber sie schreiben nicht über Film als Kunst. Natürlich gibt es noch immer großartige Schreiber, aber sie ersaufen im Meer der Masse. Dabei brauchen wir gute Kritiken, denn sie helfen uns, Filme anders zu sehen, lehren uns, auf diese Kunstform anders zu schauen.

Das gesamte Interview unter: Spiegel Online

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  1. 17. November 2009, 17:25 | #1

    Hab das Interview mit Cusack auch gelesen und habe gerade seine Ausführungen zu Twitter als sehr richtig empfunden. Das mit der Filmkritik ist dann in der Tat so eine Sache (ich weiß auch nicht wie es konkret in den USA aussieht), aber eines ist natürlich sicher: Auch wenn gerade in Filmblogs teilweise Besprechungen zu finden sind, die sich vor ihren Geschwistern in den Zeitungen nicht zu verstecken brauchen, glaube ich das Cusack zuvorderst die Filmkritik meint die über die eigentlichen Kritik hinausgeht (und die auch bezahlt sein sollte, da wir Profis brauchen, die dann auch die Zeit haben sich nur mit dem Thema zu beschäftigen). Im Prinzip hat er somit nicht ganz Unrecht, denn sind wir mal ehrlich: Die richtig guten Kritiken, die ich in letzter Zeit in den Printmedien lesen konnte, kann an einer Hand abgezählt werden. Oftmals ist ja wirklich nicht mehr als der (oftmals auch noch schlechte vom Presseheft abgekufperte) Standard-Text zu finden. In dem Sinne ist die Kritik zwar nicht tot, aber sie wankt imho ganz entschieden.

  2. 17. November 2009, 17:58 | #2

    Was Besucherzahlen am Startwochenende in Zusammenhang mit Twitter angeht, hat Cusack natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber ich stimme nicht so ganz mit dem überein, was er als eine gute Filmkritik (und du als über die “eigentliche Kritik” hinausgehend) bezeichnet.
    Vieles, was da im Feuilleton gedruckt wird, ist selbst für mich als filminteressierten, studierten Menschen kaum nachvollziehbar. Und das scheinen ja jene Kritiken zu sein, die Cusack vermisst. So ein schnödes Pro und Contra für einen bestimmten Film, wie es auf vielen Blogs stattfindet, ist fü ihn ja eher social media als Journalismus. Das finde ich ziemlich rückständig und auch etwas engstrinig von Cusack.

  3. 17. November 2009, 18:16 | #3

    So ein schnödes Pro und Contra für einen bestimmten Film, wie es auf vielen Blogs stattfindet

    Ja, das ist ja das Problem für die Zeitungsbranche. Wer soll den noch ernsthaft für das “schnöde Pro und Contra” Geld bezahlen, wenn er ebenso schnell (und in Teilen genauso gut) auf z. B. Blogs umsonst findet? Das Cusack seinen Horizont in Sachen Kulturkampf “alte” vs. “neue” Medien mal überdenken sollte, steht natürlich völlig außer Frage. ;-)

  4. 17. November 2009, 18:41 | #4

    Dann sind wir uns ja einig :) Ich dachte, nach diesem Beitrag würden sich mal ein paar Film-Blogger per Kommentar echauffieren – aber abgesehen von dir und mir haben sich wohl alle schon mit dem Cusack’schen Kulturpessimusmus abgefunden.

  5. 18. November 2009, 18:31 | #5

    Naja, ich käme nicht einmal im Traum darauf einen Film anhand einer Twitter-Meldung einzustufen, aber Filmkritiken sind für aufwändig produzierte Filme mit riesen Webebudget ohnehin nicht so entscheidend. In diese Filme strömen die Leute aus anderen Gründen als wegen einer Filmkritik. Nicht umsonst herrscht Sequelitis, trotz schlechter Kritiken.

    Aber in den USA ticken die Uhren bekanntlich immer etwas anders als hier. Vermutlich ist dort Twitter etwas mehr Hype als hier.

  6. 24. November 2009, 13:56 | #6

    Nun ja, was soll man dazu noch sagen ;) . Ich bin von meiner Arbeit überzeugt, wie er selbst wahrscheinlich auch und werde mich auch von einem Herrn Cusack nicht in Frage stellen lassen. Wir bloggen aus Spaß und nicht beruflich und wollen anderen nur Helfen, die richtige Entscheidung in der Filmwahl zu treffen. Ich denke nicht das Blogs, gerade Filmblogs absolut keinen Einfluss auf das Publikum haben.

  7. filmkritikerin
    25. November 2009, 11:38 | #7

    Ich glaube, dass eher jüngere Leute sich auch auf Blogs und per Twitter über Filme informieren – aber die meisten Leute über 40 lesen mutmaßlich eher Zeitungen. Wie groß der Einfluss von Blogs ist, hängt also auch davon ab, welche Altersgruppe betrachtet wird. Die ARD/ZDF-Onlinestudie ist bei solchen Fragen manchmal ganz hiflreich: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/

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